Wie eine nachhaltige Finanzierung für Entwicklungsländer aussehen könnte

Analyse

Entwicklungsländer brauchen jetzt Geld für Investitionen in Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung - aber viele sind bereits hoch verschuldet. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es?

Eine bewaldete Hügelkette mit einigen nepalesischen Häusern, dahinter die schneebedeckten Gipfel des Himalaya unter blauem Himmel.
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Auch in Nepal verhindert die hohe Verschuldung Investitionen in Klimaanpassung, Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit.

Eine unabhängige Expert*innengruppe der G20 schätzt, dass die Entwicklungsländer und Schwellenländer (ohne China) jährlich etwa drei Billionen US-Dollar mobilisieren müssen, um das Pariser Klimaabkommen sowie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen. Von diesem Betrag sollen eine Billion US-Dollar aus externen Quellen stammen. Dies sind erst einmal einschüchternde Zahlen. Gemessen an der globalen Wirtschaftsleistung im Jahr 2021 ist das aber gar nicht so viel Geld: Drei Prozent, und damit weniger als die weltweiten Ausgaben für Bildung.

Und doch endete auch die diesjährige Frühjahrstagung vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington ohne großen Fortschritt, während die Zeit für ernsthafte Reformen davonläuft.

Die Finanzierungslücke ist gravierend

Schwächelnde Wirtschaften infolge der Pandemie, Lebensmittel- und Energiepreisschocks infolge des Ukrainekriegs, steigende Zinsen und damit einhergehend das Anziehen des US-Dollars verteuern die Bedienung der Staatsschulden und die Kreditaufnahme für Entwicklungsländer an den Finanzmärkten. Die Beschaffung neuer externer Finanzmittel in Höhe von Billionen von Dollar wäre schon in den besten Zeiten schwierig. Noch schwieriger ist es, wenn die Welt mit einer eskalierenden Schuldenkrise konfrontiert ist.

Die Zahlungen für den Schuldendienst verhindern Investitionen in Klimaanpassung, Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit.

Steigende Verschuldung bedroht Entwicklung und Klimaschutz

Eine aktuelle Studie des „Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery“ Projektes zeigt: 47 Entwicklungsländer, in denen über eine Milliarde Menschen leben, würden die kritischen Schwellenwerte der Schuldentragfähigkeit des IWF überschreiten, wenn sie die Finanzmittel für die dringend notwendigen Investitionen in Klimaschutz und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auf Kredit finanzieren. Weiteren 19 Ländern fehlt der finanzielle Spielraum für die erforderlichen Investitionen. Besonders betroffen von Überschuldung sind Länder in Subsahara-Afrika und der Karibik, wo sich die Lage zuletzt drastisch verschlechtert hat.

Diese Länder leiden unter historisch hohen Auslandsschulden, hohen Zinssätzen und daher geringen Wachstumsaussichten. Die Zahlungen für den Schuldendienst verhindern Investitionen in Klimaanpassung, Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit. Die betroffenen Länder werden dadurch kaum Entwicklungsperspektiven haben, wodurch das Risiko langfristig ihre Schulden nicht mehr bedienen zu können, steigt (Schuldentragfähigkeit)

Herausforderungen bei der Schuldenerleichterung und Finanzierung

Gleichzeitig fehlen der internationalen Gemeinschaft geeignete Instrumente, um festzustellen, welche Länder einen Schuldenerlass benötigen und in welchem Umfang. Der IWF führt zwar seine eigenen Schuldentragfähigkeitsanalysen durch, aber diese sind in vielerlei Hinsicht unzureichend, unter anderem durch verzerrte Projektionen bei der Schuldentragfähigkeit, einen unrealistischen Bedarf an Klimainvestitionen und die Unterschätzung der Auswirkungen von Klimaschocks.

Der Klimawandel erhöht das Risiko eines Zahlungsausfalls.

Die gemeinsam von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Boston University Global Development Policy Center und dem Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London herausgegebene Studie verdeutlicht, in welchem Ausmaß die Verwundbarkeit für Klimawandelschäden und Umweltschäden die Tragfähigkeit der Schulden beeinträchtigen können. Der Klimawandel erhöht damit das Länderrisiko eines Zahlungsausfalls und die Kapitalkosten, also die Kosten die bei der Beschaffung von Kapital für staatliche Investitionen entstehen.

Laut einer durch die indische G20-Präsidentschaft einberufenen unabhängigen Expert*innenkommission und dessen Vorsitzenden Lawrence Summers und N.K Sing stehen Entwicklungsländer noch vor einer weiteren Herausforderung: Im Jahr 2023 ist weniger Kapital in die Entwicklungsländer geflossen, als aus ihnen abfloss. Steigende Zinssätze und Rückzahlungen von Anleihen und Krediten führten dazu, dass fast 200 Milliarden Dollar aus den ärmsten Ländern an private Gläubiger flossen – ohne dass dies auch nur ansatzweise durch öffentliche Gelder kompensiert wurde.

Länder, die anfällig für Klimarisiken sind, sind höheren Kosten bei der Kreditaufnahme ausgesetzt.

Länder, die anfällig für Klimarisiken sind, sind zudem höheren Kosten bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt ausgesetzt. Es folgt ein Teufelskreis aus Verschuldung und Klimawandel, bei dem die Länder wenig Möglichkeiten haben, robuste Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, die ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Extremwettereignissen und wirtschaftlichen Schocks erhöhen.

Je länger wir zögern, den gesamten Bedarf an Klimainvestitionen zu decken, desto höher werden die Kosten für die Eindämmung des globalen Temperaturanstiegs und die Bewältigung seiner Folgen sein.

Eine ehrgeizige Entschuldungsinitiative ist unumgänglich.

Wie eine nachhaltige Finanzierung für Entwicklungsländer aussehen kann

Um den Kreislauf von Umwelt- und Wirtschaftskrisen zu durchbrechen und eine Epoche nachhaltigen Wachstums einzuleiten, müssen die Länder jetzt investieren. Deshalb muss jede Strategie zur Bewältigung des Klimawandels und zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs) die Hürden für neue Finanzierung senken. Dies schließt gezielte Schuldenerlasse und die Verbesserung der  Kreditwürdigkeit von Entwicklungsländern ein.

Eine ehrgeizige Entschuldungsinitiative ist unumgänglich, um den Ländern, die sich in einer ausgewachsenen Staatsschuldenkrise befinden, einen sinnvollen Schuldenerlass zu gewähren. Dabei sollte sich diese Initiative am erfolgreichen Vorbild der 1996 von Internationalen Währungsfonds und Weltbank geschaffenen Initiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Initiative) orientieren.

Damit eine solche Initiative effektiv umgesetzt werden kann, ist die aktive Beteiligung aller Gläubiger erforderlich. Dazu gehören auch die multilateralen Finanzinstitutionen wie die Weltbank, denn mindestens die Hälfte der gesamten Auslandsschulden von 27 schuldengeplagten Ländern – viele davon Niedrigeinkommensländer oder kleine Inselstaaten – werden multilateralen Gläubigern geschuldet. Selbst wenn alle bilateralen und privaten Schulden gestrichen würden, blieben einige der schwächsten Länder der Welt weiterhin mit zu hohen Schulden belastet. Daher führt an einer Beteiligung der multilateralen Finanzinstitutionen kein Weg vorbei. Doch muss das in solch einer Weise geschehen, dass diese Institutionen für Verluste entschädigt werden und ihre hohe Kreditwürdigkeit, und damit die Möglichkeit zu niedrigen Zinssätzen Kredite bereitzustellen, nicht beschädigt wird.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre eine Reform des von der G20 verabschiedeten Rahmenwerks für eine effektive und nachhaltige Schuldenbehandlung (Common Framework for Debt Treatment). Dieses Rahmenwerk hat sich bisher als zu langsam und ineffizient erwiesen, insbesondere, weil es keine ausreichenden Anreize zur Beteiligung privater Gläubiger bietet und nur für einkommensschwache Länder gilt, jedoch nicht für hochverschuldete Staaten mit mittlerem Einkommen.

Klimainvestitionen für Länder mit geringem finanziellen Spielraum finanzierbar machen

Auch müssen die Kapitalkosten für Länder mit geringem finanziellen Spielraum für bestimmte Investitionen gesenkt werden, zum Beispiel für solche in Klimaschutz und Klimaanpassung. Zu diesem Zweck wurden bereits zahlreiche Vorschläge unterbreitet. Verbesserungen der Kreditwürdigkeit durch Garantien auf Anleihen wären denkbar, wie auch zusätzliche Finanzspritzen durch die Ausschüttung von Sonderziehungsrechten, eine Art Reserveguthaben für IWF-Mitgliedsländer. Damit sollen zusätzliche Finanzmittel für in Not geratene Staaten bereitgestellt werden, wie dies bei der Covid-19-Pandemie im Jahr 2021 der Fall war.

Die Verlängerung der Schuldenkrise wird die Klimakrise verschärfen, gerade für die Länder, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben.

Auch könnte der Schuldendienst ausgesetzt werden - beispielsweise durch eine wiederbelebte und erweiterte Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes, die während der Covid-19-Pandemie wertvolle Unterstützung für überschuldete Länder geleistet hat. Letzteres sollte mit neuen Finanzierungen gekoppelt werden, bei denen die gewichteten Kapitalkosten niedriger sind als die prognostizierte Wachstumsrate der teilnehmenden Länder.

Die Verlängerung der Schuldenkrise wird die Klimakrise verschärfen, gerade für die Länder, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Die 29. UN-Klimakonferenz (COP29) wird ganz im Zeichen der Finanzierung stehen, da unter anderem das Klimafinanzierungsziel für die Zeit nach 2025 neu ausgehandelt wird. Eine reformierte Staatsschuldenarchitektur wird dabei ein entscheidender Baustein sein, um sicherzustellen, dass alle Länder ihre Ziele für Emissionsminderung und Klimaanpassung erreichen und damit den Grundstein für eine prosperierende und nachhaltige Zukunft legen können.


Dieser Artikel ist zuerst bei deutscheklimafinanzierung.de erschienen.